Erlebniswelt Natur

Im Waldkindergarten spielen die Kinder mit den Dingen, die schon immer da waren, wie Erde, Schlamm und Stöcke. Mit Kreativität wird aus jedem Stock ein Spektakel.

Von Daniela Gorgs

Die Natur ist die beste Lehrmeisterin, die es gibt. Pädagogen geraten ins Schwärmen, wenn sie von ihrem Alltag im Waldkindergarten erzählen. Wenn sie erläutern, wie die Bewegung in freier Natur das Immunsystem der Kinder stärkt, ihre Ausdauer, Motivation und Konzentration fördert und sich Kompetenz in ökologische Zusammenhänge in der Natur spielerisch entwickelt. Und immer betonen sie, dass der Waldkindergarten dieselben Bildungs- und Erziehungsaufgaben wie Regelkindergärten erfüllt. Der Unterschied liegt in der Vermittlung der Inhalte.

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Auch im Wald hat alles seine Ordnung. Bevor sich die Kinder zur Brotzeit zusammensetzen, holen sie ihre Rucksäcke ab.

Die Kinder messen ihre Kräfte, wenn sie sich an Baumwurzeln den Hügel hochangeln oder über Bäche springen; sie überwinden Ängste, wenn sie Käfer in die Hand nehmen. Dadurch erfahren sie ihre Grenzen, können sie überschreiten und Selbstbewusstsein aufbauen. „Entwicklung und Lernen findet vor allem durch Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen statt – die Basis des Lernens“, sagt Eckart Wolfrum, Vorsitzender des Naturkindergartens Schwabhausen. Um das zu verdeutlichen, zitiert der Heilpädagoge den Grundsatz: „Erzähle es mir, und ich vergesse, lass mich es tun, und ich verstehe.“

Der Waldkindergarten in Schwabhausen, gegründet im Jahr 1999, war der erste im Landkreis Dachau. Damals, so berichtet die Erzieherin und Heilpädagogin Renate Wolfrum, sei man noch skeptisch gefragt worden, warum man denn aus dem schützenden Haus hinaus in die Natur wolle. Draußen, bei Regen und Kälte? Mittlerweile sind Waldkindergärten auch in Bayern etabliert und werden nach dem Bayerischen Kinderbetreuungs- und -bildungsgesetz (BayKiBiG) staatlich gefördert.

Im Landkreis Dachau gibt es derzeit fünf Waldkindergärten. Ein sechster soll in diesem September in der Kreisstadt eröffnet werden. Dazu gründeten Eltern vor etwa einem Jahr den Verein „Waldkindergarten Dachau e.V.“ Als Standort genehmigte ihnen die Stadt ein Waldstück an der Schinderkreppe südlich des Stadtweihers. Vorstands- und Gründungsmitglied Susanne Hriba sagt, man möchte den Kindern die Möglichkeit bieten, viel Zeit in und mit der Natur zu verbringen und ein Stück Freiheit zu erleben, „wie man es ihnen wohl niemals wieder bieten kann“. Damit meint sie, in Zeiten von Nintendo und Computer im Wald eine besondere Lernatmosphäre zu schaffen, die Kinder in ihrer Phantasie und Kreativität freien Lauf lässt.

Und genau das begeistert erfahrene Pädagogen immer wieder: „Wenn Kinder kein vorgefertigtes Spielzeug haben, bauen sie sich eine eigene Spielwelt aus allem, was die Natur zu bieten hat“, sagt Kathrin Kaiser, Leiterin des Waldkindergartens in Markt Indersdorf. Eine Kollegin vom Waldkindergarten Petershausen, Petra Zauner, drückt es plastisch aus: „Mal ist eine Baumwurzel ein Raumschiff, am anderen Tag wird sie abgeschleppt wie ein Fahrzeug.“ In der Natur spielen die Kinder mit den Dingen, die schon immer da waren, wie Erde, Schlamm und Stöcke. Mit Kreativität wird aus jedem Stock ein Spektakel.

Beide Pädagogen erleben täglich, wie Kinder im Wald aufleben; sie sprechen von enormen Bildungsprozessen und räumen Bedenken von Eltern aus, die fürchten, dass ihre Kinder nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet werden. Wenn Kathrin Kaiser nachfragt, wie sich ihre Waldkinder später im Unterricht machen, hört sie nur Gutes. Sie würden gelobt für ihr Sprachvermögen, ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre ausgezeichnete Motorik. Ganz toll schnitten sie in naturwissenschaftlichen Fächern ab. Auch müssten Waldkinder jede Menge Regeln kennen. Das leuchtet ein: Ein Wald ist unübersichtlich, er bietet den Kindern viele Freiräume. Und mehr Freiheit erfordert auch mehr Verantwortung.

Im Landratsamt Dachau freut man sich über die wachsende Zahl an Waldkindergärten. Margaretha Brummer, Fach- und Rechtsaufsicht für Kindertageseinrichtungen, hat sehr gute Erfahrungen mit Waldkindergärten gemacht. Ihr fällt auf: „Es gibt keine Streitereien zwischen Eltern und Erziehern.“ Und Waldkinder, sagt sie, seien sehr ruhig und ausgeglichen. Ein schöneres Kompliment könnte man all denen, die sich für das Abenteuer Waldkindergarten einsetzen, wohl nicht machen. Einziges Manko sind die Öffnungszeiten. Weil Kinder im Winter maximal fünf Stunden unter freiem Himmel verbringen können, schließen die Waldkindergärten im Landkreis zwischen 12.30 und 13.30 Uhr. Dann sind die Kinder glücklich erschöpft.

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